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Wilde Vergangenheit, klare Mission

Kompromisslos, hartnäckig, oftmals turbulent: So lässt sich Mountain Wilderness Schweiz und dessen Geschichte umschreiben. Persönlichkeiten, welche diese mitgeprägt haben und uns noch heute begleiten erzählen, warum es uns die letzten 30 Jahre gebraucht hat und noch lange brauchen wird.

Erschienen in der 88. Ausgabe des Mitgliedermagazins Wildernews, Sommer 2024

Westschweizer Wurzeln
Eines Tages flattert eine Anfrage in den Briefkasten. Unterschrieben von Rodolphe Schaad, Koordinator des Schweizer Ablegers einer 1987 in Italien ins Leben gerufenen Alpenschutzbewegung. Der freundliche Herr aus Cortaillod hat in der Romandie unter dem Motto «Les alpinistes du monde entier prennent la défense de la montagne» bereits ein kleines Netzwerk aufgebaut und sucht Gelegenheiten, die Organisation auch in der übrigen Schweiz vorzustellen. Als Kulturbeauftragter der SAC-Sektion Ticino lade ich ihn gerne für ein Referat nach Lugano ein – dies freut ihn sichtlich, ist er doch anderswo auf viel Desinteresse gestossen. Sogleich bindet mich Rodolphe in die Arbeit von Mountain Wilderness ein. Als er Ende 1992 stirbt, droht das Aus. Und so überredet mich der internationale Koordinator François Labande aus Frankreich, beim Neustart mitzuhelfen. Mehrere Engagierte aus Rodolphes Zeit ziehen mit, vornehmlich aus dem Wallis, Neuenburg und der Waadt; neue Gesichter aus der Deutschschweiz sowie dem Tessin gesellen sich hinzu. Im Januar 1994 erfolgt in Brig die formelle Gründung des Vereins. Dort geht der Stab weiter, und Mountain Wilderness Schweiz entwickelt sich rasch zu einer wichtigen Stimme des Naturschutzes.

Mein Wunsch wäre, dass die Romandie, welche all dies ermöglichte, innerhalb unserer Bewegung wieder mehr Raum erhält!

Marco Volken, Fotograf und Mitgründer von Mountain Wilderness Schweiz

Ein Bündnis mit dem Teufel
Nebst vielen spezifisch schweizerischen Projekten wie die Stop Heliskiing-Kampagne, welche auch dank Rolf Meier zum Dauerbrenner geworden ist, bargen Zusammenarbeit und gegenseitige Anregungen mit anderen nationalen Zweigen von Mountain Wilderness International immer auch persönliche Highlights; und dies trotz einiger Konflikte.

So lud uns Mountain Wilderness Catalunya zum 10-jährigen Grossanlass im viersprachigen Val d’Aran und später noch mehrmals in die Pyrenäen ein. In Italien trafen wir uns einige Male im Gründungsort Biella sowie in Cuneo und Bardonecchia. Auch in Frankreich gab es zahlreiche internationale Anlässe, meistens am Mont-Blanc, wo bereits Anfang 1990 eine erste spektakuläre Demonstration stattgefunden hatte.

Bei uns in der Schweiz trafen sich alle am Lac Tannay bei der beeindruckenden Nicole Niquille, später eher tumultuös in Salvan und zuletzt bei St. Cergue im Jura. In den neunziger Jahren organisierten wir mehrere Mont-Blanc-Rundwanderungen; für die Verpflegung sorgte meist Mountain Wilderness Schweiz. Während einer Podiumsdiskussion in Orsières wurde unsere erste Walliser Partnergemeinde beschimpft, weil sie mit dem Teufel – sprich mit uns – schlafe.

Barbara Ehringhaus, ehemalige Vize-Präsidentin von Mountain Wilderness Schweiz, vertritt unseren Verein bei Mountain Wilderness International und ProMONT-BLANC

Mit Eiern gegen den Rückbau
Im Sommer 2005 stiegen wir mit Bannern auf den Waadtländer Pic Chaussy. Wir verlangten den «Rückbau zur Wildnis» der Bergstation, einer hässlichen Bauruine der ehemaligen Gondelbahn. Eine Delegation Einheimischer empfing uns mit drei grossen, gefüllten Eierschachteln: Wir sollten uns nicht einmischen. Sie hatten jedoch auch le verre de l’amitié dabei. Also stiessen wir mit Gipfelwein an. Beim Abstieg flogen uns die Eier aber doch noch um die Ohren.

2004 gaben wir zum 10-jährigen Jubliäum das Buch «Wildnis – ein Wegbegleiter durchs Gebirge» heraus. Wir trugen Dutzende Ansichten zusammen, was Wilderness ist, was sie uns bedeutet. Die Kampagne «Rückbau zur Wildnis» war ein neuer Aspekt, um die Wilderness, die der Verein im Namen trägt, zu verteidigen. Engagiert, entschieden und kompromisslos – wie es Wilderness ist. Besonders darum ist Mountain Wilderness Schweiz einzigartig und für die Berge so wichtig.

Im letzten Sommer war ich auf dem Pic Chaussy. Die Ruine ist längst weg. Der Rückbau von stillgelegten Anlagen ist im Seilbahngesetz von 2007 verankert, der Pic Chaussy einer der seltenen Orte, wo dies auch umgesetzt wurde. Auch deshalb ist der Pic Chaussy an strahlend schönen Tagen ein geschätztes Wanderziel – ansonsten darf dort wieder Wilderness sein.

Elsbeth Flüeler war Geschäftsleiterin von Mountain Wilderness Schweiz von 2001 bis 2011

Langer Schnauf bringt Erfolg
Der Schutz unserer Berge ist vielen Politiker:innen egal. Hauptsache, die Landschaft wirft Profit ab. Mountain Wilderness Schweiz hält seit 30 Jahren dagegen – mit Erfolg. Dem Verein ist es z. B. zu verdanken, dass heute Schrott-Seilbahnen demontiert werden müssen. Wir Klimaseniorinnen wissen: Es braucht einen langen Schnauf. Den hat Mountain Wilderness Schweiz. Kreative, unkonventionelle Methoden können ein Umdenken bewirken. Weiter so!

Pia Hollenstein ist langjähriges Mitglied von Mountain Wilderness Schweiz, sass für die Grünen im Nationalrat und engagiert sich bei den Klimaseniorinnen.

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