Die erste Rückbauaktion 2024 war ein voller Erfolg! Am 27. Juli 2024 haben wir gemeinsam mit dem Landschaftspark Binntal den Wald in der Nähe von Ernen von alten Metalldrähten mit Isolatoren befreit und gleich auch noch einen ehemaligem Weidezaun entfernt. Unverbaute Landschaft wird immer seltener. Umso wichtiger, dass wir an Orten, wo Bauten und Anlagen nicht mehr genutzt werden, rückbauen und so den ursprünglichen Zustand der Landschaft wiederherstellen. Mit unseren Rückbauaktionen machen wir den ersten Schritt.
Caroline, die als Freiwillige mit dabei war berichtet hier, wie sie die Aktion erlebt hat.
Text: Caroline Zimmermann
Wer sich für den Naturschutz in der Schweiz interessiert, wird nicht lange brauchen, um auf Mountain Wilderness zu stossen. Und so war auch ich schon länger an der Arbeit der Organisation interessiert und konnte es kaum erwarten, mich auch mal selbst aktiv einzubringen, um sie zu unterstützen.
Schon bald fand sich eine tolle Möglichkeit dazu: eine Rückbauaktion im Landschaftspark Binntal, Wallis.
In einem sonst schönen Waldstück im „Zauberwald“ wurde vor langer Zeit Elektrodraht durch die Natur verlegt, der für die Stromversorgung auf einer privaten Hütte in den Bergen sorgte, jedoch inzwischen nicht mehr genutzt wird. Gut für diesen Zweck, jedoch nicht so gut für die Landschaft. Also es liegt auf der Hand: der Draht muss entfernt werden! Und das haben wir getan.
An einem sommerlichen Freitagnachmittag mache ich mich auf den Weg nach Fiesch. Hier ist der Startpunkt der Exkursion, wo für uns Teilnehmer:innen sogar eine Übernachtung organisiert wurde. Langsam trudeln die Freiwilligen ein; sie kommen alle aus ganz unterschiedlichen Gegenden, aber alle sind mindestens so motiviert wie ich.
Luisa, die Verantwortliche für Rückbauaktionen bei Mountain Wilderness, ist auch vor Ort und wird die Aktion leiten. Von den Teilnehmer:innen wird sie schon am Abend mehrmals gebeten, uns mehr Details zu unserem Vorhaben zu verraten. Man sieht, Neugier liegt in der Luft! Als wir vollständig sind, teilt sie uns den groben Zeitplan mit und danach können alle ihrer Wege gehen, bis zum nächsten Morgen.
In Gedanken schon bei der Mission, gehe ich schlafen, um fit für den nächsten Tag zu sein. Am Morgen gibt es ein gutes Frühstück in der Unterkunft, bevor wir uns alle gemeinsam auf den Weg nach Ernen machen.
Hier treffen wir auf noch weitere Freiwillige und unsere Truppe ist vollständig. Unter uns sind einige Mitglieder von Mountain Wilderness, aber nicht nur: Bergsteiger-innen, Pensionierte, Reisende, junge und alte Menschen treffen hier aufeinander. Und wir haben ein Ziel: Natur wieder Natur sein zu lassen.
Nach einem kurzen Spaziergang kommen wir am Waldstück an. Hier führt ein kleiner Trampelpfad unter drei umeinander gewundenen Drähten entlang, an denen wir uns orientieren. Ein bisschen holprig (zumindest bei mir) geht’s über Baumstämme und unter Ästen hindurch den Weg entlang.
Schliesslich verteilen wir uns auf verschiedene Bereiche und, ohne so richtig zu bemerken, wo die anderen hin verschwunden sind, befinde ich mich in einer Dreiergruppe mit zwei anderen Freiwilligen. Wir fangen an, den Draht zu zerschneiden, ihn loszuziehen, einzurollen und irgendwie zu bändigen.
Schon nach 5 Minuten weiss ich: das wird eine super Sache werden! Tatsächlich finde ich es wahnsinnig zufriedenstellend zu sehen, wie wir die Natur Stück für Stück von dem Draht befreien. Manche Teile hängen am Baum fest oder sind in der Erde verwurzelt aber am Ende bekommen wir doch jeden Meter davon in die Finger. Gar nicht so einfach, den dreiteiligen Draht vernünftig einzuwickeln und in eine halbwegs transportierbare Form zu bekommen. Also nehme ich mir die Zeit und wickle jeden Draht einzeln zu mehr oder weniger schönen Bällen auf.
Schon bald merkt man, es kommt so einiges an Material zusammen. Mit riesigen Säcken laufen wir den Pfad entlang, bis unser Sack so voll ist, dass wir ihn kaum noch tragen können. Schliesslich kommen wir auch schon am Ende des Pfades an. Hier ist es mir etwas zu steil, sodass ich lieber anderen Teilnehmern den Vortritt lasse. „Jeder macht nur das, womit er sich wohl fühlt“, wie die Organisatorin Luisa mehrmals betont. Das klingt gut für mich!
Also gehe ich auf dem Pfad wieder zurück in die Richtung, aus der wir gekommen sind, wo die anderen Teilnehmer:innen in ihren jeweiligen Waldstücken gearbeitet haben. Und siehe da: der Draht ist komplett beseitigt worden!
Einige Isolatoren müssen jetzt noch von den Bäumen entfernt werden, die dort ganz schön stark festsitzen. Hierzu braucht es Kletterkünste und Kraft. Gar nicht schlecht wie Anna, eine junge Bergsteigerin und Bergfüher-Aspirantin, sich mit einer mir unerklärlichen Seiltechnik an den Bäumen hochstemmt und die Isolatoren aus der Fassung dreht. Hut ab!
Am Ende heisst es noch: alles, was wir auf den Pfad mit geschleppt haben, wieder über Stock und Stein zurück schleppen: Rucksäcke, Wasserflaschen, Equipment, Zangen und natürlich den Draht. Es ist ein einziges Hin und Her. Alle schleppen irgendetwas von A nach B und nehmen einfach das Nächstgreifbare mit, sodass wir auch nichts hinterlassen. Denn das wäre ja nicht der Sinn der Sache…
Zurück am Ausgangspunkt bin ich schweissgebadet, voll mit Tannennadeln und vor allem sehr zufrieden. Und wie ich mich so umschaue, bin ich wohl nicht die einzige, der es so geht. Ein wohl verdientes Mittagessen wartet jetzt auf uns, das Luisa extra für uns organisiert und mitgebracht hat. Also sitzen wir im Wald, essen Brote und quatschen ausgelassen.
Für mich ist es besonders interessant, mich mit einigen der älteren Teilnehmer:innen zu unterhalten: Schon seit eh und je, verändern sich die Alpen; durch den Menschen werden sie geformt, vom Klimawandel immer mehr beeinflusst und doch halten sie der immer grösser werdenden Ansprüche des Tourismus (noch) stand. Aber wie weit können wir damit gehen? Wie war das Leben in den Alpen früher und wie weit hat es sich schon davon entfernt? Was sind die grössten Herausforderungen in diesem Lebensraum und was sind unsere Chancen? Diese Fragen beschäftigen mich schon lange. Und die Älteren haben etwas dazu zu sagen. Sie erzählen mir von ihrer Wahrnehmung, ihrer Meinung zu dem Thema und auch ihren Sorgen. Und auch wenn viele Fragen noch offenbleiben, werden mir diese Gespräche ganz besonders in Erinnerung bleiben.
Wie dem aber auch sei, unser Auftrag für heute ist noch nicht vollständig erfüllt. Im selben Gebiet, nur ein paar Kilometer weiter, wartet auch noch ein alter Maschendrahtzaun am Rande einer landwirtschaftlichen Fläche auf uns. Auch diesen haben wir uns für heute vorgeknüpft.
Also machen wir uns, gestärkt vom Mittagessen, nochmal an die Arbeit. Tatsächlich geht das schneller als gedacht: Als die zweite Truppe mit dem Auto nachkommt, sind wir mit der kleinen Aktion schon fertig. Wer hätte das gedacht! Mit der immer stärker werdenden Sonne ist mir dies aber ehrlich gesagt ganz recht. Für heute ist es wohl genug. Also machen wir uns auf den Weg zurück nach Ernen.
Hier im Dorf erwartet uns Michael, der Verantwortliche für Umweltbildung im Landschaftspark Binntal. Mit zwei Sorten selbstgemachtem Kuchen, Wasser und Bier werden wir empfangen und setzen uns nochmal zusammen. Was könnte jetzt schöner sein?
Michael erzählt uns noch ein bisschen was zum Landschaftspark und zu seiner Tätigkeit dort. Viele Freiwilligeneinsätze, Besuche für Schulen und andere Aktionen werden hier regelmässig organisiert. Schön zu wissen, dass wir heute auch Teil davon sein durften.
Mit dem Rückbau-Projekt wurde ein Konzept geschaffen, das hoch wirksam ist und dabei die Bevölkerung mit integriert und sensibilisiert. Eine Aktion wie die im Binntal ist die perfekte Chance für alle Interessierten, um ihren Teil beizutragen: sie ist eine konkrete Massnahme, bei der man sofort das Ergebnis sieht, etwas erlebt und nette Menschen trifft.
Auch für Mountain Wilderness Schweiz sind diese Aktionen neu. Das Projekt wurde hier vor nicht allzu langer Zeit wieder ins Leben gerufen und es sind noch viele weitere und auch grössere Rückbauten geplant, wie es in Frankreich bereits seit vielen Jahren der Fall ist.
Daher sind sie auf Hilfe angewiesen, um die Orte mit verbauter Landschaft überhaupt erstmal aufzuspüren. Es ist also nun umso wichtiger, mit offenen Augen durch die Alpen zu streifen, mitzudenken und Mountain Wilderness einen Tipp zu senden, falls man etwas sieht oder mitbekommt. Ich habe mir fest vorgenommen, das zu tun und ich hoffe, mit diesem kleinen Einblick konnte ich dich ein bisschen dazu motivieren, dabei mitzuziehen!
Caroline Zimmermann war an der Aktion vom 27. Juli als Freiwillige dabei. Mehr Informationen zu unserer Kampagne «Rückbau zur Wildnis» findest du hier
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