PFAS in Bergsportausrüstung: Spuren, die für immer bleiben

Juerg Haener

Die Berge sind Freiräume für Natur und Menschen gleichermassen. Wir müssen lernen, sie zu entdecken, ohne dabei das empfindliche Gleichgewicht zwischen ihrer Wertschätzung und ihrer Nutzung zu überschreiten. Die Spuren, die der Mensch hinterlässt, spielen dabei eine besonders wichtige Rolle.

Text: Luisa Deubzer, Projektleiterin Wildnis & Bergsport. Bilder: John Thornton
Dieser Artikel ist in der 89. Ausgabe des Mitgliedermagazins Wildernews erschienen.

PFAS werden aufgrund der wasser-, fett- und schmutzabweisenden Eigenschaften sowie ihrer Langlebigkeit geschätzt. In ebendieser hohen Persistenz liegt jedoch das Problem; die sogenannten «Ewigkeits-Chemikalien» sind in der Natur nicht abbaubar. PFAS reichern sich im Wasser und Boden an und gelangen dadurch auch in unsere Lebensmittel. Mittlerweile wurden sie an den entlegensten Orten der Erde – von alpinen Bergseen bis zur Antarktis – nachgewiesen. Da PFAS nebst negativen Umweltauswirkungen auch Gesundheitsrisiken für den Menschen bergen – einige PFAS stehen im Verdacht krebserregend zu sein, die Fruchtbarkeit zu beeinträchtigen, das Immunsystem zu schwächen, Nieren und Leber zu belasten – ist dies eine äusserst beunruhigende Entwicklung.

Damit sich das Problem nicht weiter unkontrolliert verschärft, bedarf es strengerer gesetzlicher Rahmenbedingungen sowie einer umfassenden Information und Sensibilisierung der Konsumierenden. In der EU laufen Bestrebungen, PFAS in allen Bereichen zu verbieten, sofern sie aus gesellschaftlicher Sicht nicht als unverzichtbar gelten. Das wäre ein wichtiger Schritt, wurde bisher doch nur der Einsatz einzelner PFAS-Gruppen gesetzlich untersagt, was das Problem nicht löst. Die Industrie kann mühelos auf leicht abgeänderte, aber nicht minder schädliche Verbindungen ausweichen.

Im Hochgebirge halten Seile extremen Behandlungen statt.

Detox Outdoor – PFAS in Outdoorausrüstung zunehmend im Fokus
In der Outdoorindustrie geriet die Verwendung der schädlichen Chemikalien erstmals anlässlich der 2015 durchgeführten Detox Outdoor-Kampagne von Greenpeace in den Fokus. Fast alle getesteten Produkte in den verschiedensten Sparten enthielten PFAS. Greenpeace baute mit der Kampagne erfolgreich Druck auf: In der Folge verpflichteten sich einige der grössten Outdoor-Kleidungshersteller, bei der Produktion auf PFAS zu verzichten. Dies zeigt einmal mehr, was zivilgesellschaftlicher Druck bewirken kann und wie wichtig die Arbeit unabhängiger Organisationen ist.

Hochfunktionale PFAS-Alternativen für Regenbekleidung gibt es mittlerweile zuhauf. Labels wie «GOTS» (Global Organic Textile Standard) oder Hinweise wie «PFAS-frei» helfen bei der richtigen Kaufentscheidung. Die verminderte Langlebigkeit der Imprägnierung muss jedoch durch entsprechende Pflege wie regelmässiges Waschen und Nachimprägnieren ausgeglichen werden.

PFAS auch in Kletterseilen
Während die meisten Bergsportler:innen inzwischen von PFAS in Outdoorkleidung gehört haben, ist die Thematik bei Kletterseilen bisher noch wenig bekannt. Zeit, das Thema mit all seinen Herausforderungen näher zu beleuchten.

Anfang dieses Jahres sorgte eine Recherche des deutschen Umweltschutzverbandes BUND zu PFAS in imprägnierten Kletterseilen für Aufsehen. Nur in zwei von sechs stichprobenartig getesteten Seilen wurden keine PFAS nachgewiesen. Keine grosse Überraschung, zumal Seile mit einer PFAS-freien Imprägnierung immer noch die Ausnahme sind. 

Als persönliche Schutzausrüstung müssen Seile strengere Normen als Kleidung erfüllen. Da sie ständigem Abrieb ausgesetzt sind, stellen sich überdies andere Anforderungen an die Beständigkeit der Imprägnierung. Bei Seilen ist auch der Imprägnierungsprozess ungleich komplexer, da die Schutzschicht nicht einfach auf eine glatte Oberfläche aufgetragen wird. Ausserdem wirkt sich die Imprägnierung auf weitere Eigenschaften des Seiles aus, weshalb bei der Umstellung auf eine PFAS-freie Imprägnierung auch die Seilkonstruktion angepasst werden muss.

Sogenannte Ewigkeits-Chemikalien finden über kurz oder lang einen Weg in die Wildnis.

Herausforderungen bei der Entwicklung PFAS-freier Seile
Alternative Seilimprägnierungsmittel können derzeit noch nicht mit der Leistung der problematischen PFAS mithalten. Aufgrund ihrer geringeren wasserabweisenden Eigenschaften müssen grössere Mengen aufgetragen werden. Einerseits fühlen sich die Seile dadurch noch etwas plastikartiger und steifer als bisher an, andererseits nutzt sich die Imprägnierung schneller ab. Um dies auszugleichen, müssten wahrscheinlich auch Produktionsprozesse angepasst werden: Eine Möglichkeit für eine bessere Handhabung und erhöhte Langlebigkeit auch ohne den Einsatz von PFAS wäre laut Malte Strozyk, Entwickler beim Seilhersteller Edelrid, die einzelnen Garne direkt beim Färben und Waschen zu imprägnieren. Dies steht jedoch mit den Bemühungen, Wasser zu sparen in Konflikt; Edelrid stellte deshalb unlängst den Produktionsprozess so um, dass Garne nicht mehr einzeln gefärbt werden.

Genauer betrachtet sind daher auch PFAS-freie Alternativen mit Problemen für die Umwelt verbunden: Um die schlechtere Wirkung wettzumachen, benötigt die Herstellung z. B. mehr Chemikalien und verursacht einen höheren Wasserverbrauch. Durch die reduzierte Langlebigkeit der Imprägnierung muss das Produkt zudem potentiell häufiger ersetzt werden. Wie so oft stehen also unterschiedliche Umweltziele miteinander in Konflikt.

Alternativen zu PFAS: Für Lösungen braucht es alle
Es stellt sich daher die Grundsatzfrage, wann ein wasserabweisendes Seil nötig ist und wann auch eines ohne Imprägnierung reicht? Beim Sportklettern in der Halle gerate ich mit Sicherheit in keine Situation, in der Imprägnierung unabdingbar ist. Auch im Klettergarten kann ich gut darauf verzichten. Als Argument, selbst in diesen Situationen imprägnierte Seile zu verwenden, wird häufig deren längere Lebensdauer angeführt, da die Imprägnierung auch Schmutz abhält und die Gleitfähigkeit der Garne erhöht. Dieser Effekt ist allerdings nur schwer messbar. Um die Frage der Nachhaltigkeit wirklich beantworten zu können, bedarf es einer besseren Datenlage. Nur so liesse sich die verringerte Lebensdauer eines Seiles direkt der durch Imprägnierung verursachten Mehrbelastung für die Umwelt gegenüberstellen. Die Lebensdauer hängt somit stark von unserem eigenen Verhalten ab. Es gilt beispielsweise, das Seil immer mit Seilsack zu benutzen und darauf zu achten, dass es möglichst sauber bleibt. Zudem sollte nicht an fixen, häufig eingeschliffenen Exen geklettert und der Seilverlauf konsequent optimiert werden. Auch die Seilkonstruktion selbst ist entscheidend für die Nutzungsdauer. So halten «steifere» Seile, die knick- und druckstabiler sind sowie solche mit dickerem Mantel, in der Regel auch deutlich länger. Wünschenswert wäre, dass auch Seilhersteller und der Einzelhandel vermehrt auf diese Punkte hinweisen.

Für Anwendungsbereiche, bei denen man nicht auf Imprägnierung verzichten will, ist in der Seilindustrie aktuell einiges in Bewegung. Sie muss zum einen strengere gesetzliche Regulierungen antizipieren, und spürt zum anderen die Erwartungen der Kundschaft. Immer mehr Seilhersteller haben alternativ imprägnierte Seile in ihrem Sortiment. Konkrete, öffentliche Bekenntnisse, das gesamtes Sortiment PFAS-frei zu machen, sind bisher jedoch noch selten. In der Zwischenzeit tragen somit wir als Konsumenten und Benutzerinnen einen grossen Teil der Verantwortung.

Zum Wildernews n°89

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