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Jeder ist einer zu viel: Netto-Null für Helitourismus!

Heli-Spassflüge sind laut und klimaschädigend. Seit 27 Jahren kämpfen wir für eine Einschränkung der touristischen Gebirgsfliegerei, welche unsere letzten Wildnisgebiete bedroht. Nach harzigen Verhandlungen über Gebirgslandeplätze bringt die Klimabewegung frischen Wind in die Debatte.

Mit dem Heli in die Wildnis

Haben Sie auch schon davon geträumt, auf dem Hüfi-Gletscher unter Millionen von Sternen zu biwakieren? Oder vor der Walliser Viertausender-Kulisse mit dem Mountainbike zum Sanetschpass hinunterzubrausen? Beinahe monatlich erreichen uns Beispiele solcher Angebote, zugesandt von empörten Bergliebhaberinnen und Bergliebhabern. Diese Erlebnisse werden indessen nicht mit Muskelkraft verdient, sondern mit Kerosin und Rotor erkauft. Helikopterflüge fürs Freizeitvergnügen einiger weniger verderben die Bergerlebnisse aller anderen und haben eine lausige Ökobilanz. An- und Abflüge für Heliskiing, Helibiking, Helihiking, Heli-Champagner-Frühstück und weitere dekadente Spielereien beschallen ganze Talschaften und lösen bei Wildtieren oft panikartige Fluchten aus.

Die Schweiz ist eine Hochburg des Helitourismus; in allen anliegenden Alpenländern ist er verboten oder massiv eingeschränkt. Auf 40 Gebirgslandeplätzen (GLP), das sind vom Bundesamt für Luftfahrt BAZL ausgewiesene Landeplätze über 1’100 m.ü. M., dürfen Helikopter zu Freizeitzwecken landen. Die meisten GLP befinden sich in Regionen mit hoher Wildnisqualität. Und die Hälfte aller Gebirgslandeplätze liegen in oder grenzen an Schutzgebiete mit dem ausgewiesenen Schutzziel «Ruhe und Ungestörtheit» (Landschaften von nationaler Bedeutung (BLN) Gebiete: 17 GLP, Wildruhezonen: 3 GLP).

Bergkonsum mit unerwünschten Nebenwirkungen

Mehrere Gutachten zeigen unmissverständlich auf, dass Störungen durch Helitourismus in Schutzgebieten nicht verantwortbar sind. Auch das von der Schweiz 1991 unterzeichnete Rahmenabkommen der Alpenkonvention verpflichtet zum Verbot von Helikopterflügen für touristische Freizeitaktivitäten im gesamten Alpenraum. Parlamentarische Vorstösse und eine bundesrätliche Überprüfung aller GLP folgten (siehe Infos am Ende des Textes).

Die aktuelle Entwicklung in der Schweiz geht leider nicht in diese Richtung. Die Heliskiing-Frequenz ist in den letzten 10 Jahren mehr oder weniger stabil geblieben und beträgt durchschnittlich 14’500 Flugbewegungen pro Jahr. Dabei handelt es sich mehrheitlich um Heliskiing-Flüge, während ein kleinerer Teil anderen touristischen Aktivitäten gewidmet ist. Hinzu kommen nochmals ebenso viele An- und Abflüge für Übungszwecke und weitere nicht-gewerbliche Flüge. Für den meistbeflogenen Landeplatz, den Petersgrat im Unesco Weltnaturerbe Jungfrau-Aletsch, bedeutet das von April bis Juni 2’300 Flugbewegungen und 2’800 Passagiere (Zahlen 2019). Im Pandemiewinter 2020 gingen die Flugbewegungen verglichen zum Vorjahr lediglich um 11 % zurück. Besonders stossend ist: Das Portfolio an touristischen Heli-Angeboten nimmt zu. Seit 2018 wird im Wallis Helibiking angeboten. Nach Angaben der Zermatter Anbieter fliegt während der Saison ein Helikopter pro Woche Mountainbikende auf Landeplätze über 3’000 m.ü. M. als Startpunkt für eine teilweise vergletscherte Abfahrt ins Tal. Bei solchen Gelegenheiten kommt es auch immer wieder zu illegalen Landungen, wenn z. B. für nicht standortgebundene Fotoshootings Personen transportiert werden.

Gemeinsam gegen Helibiking und Heliskiing

Für Mountain Wilderness Schweiz ist die aktuelle Situation mit uneingeschränkter touristischer Fliegerei in Schutzgebieten untragbar und nicht vereinbar mit geltendem Recht. Auch die hohen Emissionen, die ein Helikopterflug verursacht, sind inakzeptabel. Mit der Entwicklung hin zu einer Gesellschaft, die ohne fossile Brennstoffe auskommen muss, wird eine Einschränkung der Spassflüge im Gebirge wieder breit diskutiert.

In der Ausarbeitung des CO2-Gesetzes erfolgte ein Vorstoss, dass auch jegliche Privatflüge mit einer Abflugtaxe belastet werden. In der Beratung schloss die Umweltkommission die Helikopter jedoch bereits von der Lenkungsabgabe aus, bevor die Mehrheit des Stimmvolks das ganze CO2-Gesetz bachab schickte. Anders die unter dem Dach «Klimastreik» organisierte Klimabewegung: Sie fordert in ihrem Aktionsplan ein konsequentes Verbot aller Freizeitflüge.

Gerade weil die institutionelle Politik auf dem Weg zur Klimaneutralität offensichtlich versagt, bringen wir den Helitourismus zusammen mit diesen neuen Kräften ein weiteres Mal auf die politische Agenda. Auch Gleichgesinnte wie der SAC müssen sich im Rahmen der angekündigten Klimastrategie wieder vermehrt mit der Gebirgsfliegerei auseinandersetzen. Die Öffentlichkeit werden wir weiterhin mit unseren Stop-Heliskiing-Demos auf die Missstände aufmerksam machen (26./27. März 2022) Ausserdem widmen wir uns intensiv dem symbolträchtigen Helibiking: Hier konnten wir bereits die Streichung eines Angebots (Tsanfleuron) erwirken. Dazu stehen wir mit Akteuren aus der Mountainbike-Szene im Austausch. Ziel ist der breite Konsens, dass Helibiking in der Mountainbike-Community aus ökologischen und ethischen Gründen nichts zu suchen hat.

Was bisher geschah: Die unendliche Geschichte der Gebirgslandeplätze Im Jahr 2000 startete der Bundesrat eine Überprüfung aller Gebirgslandeplätze (GLP), um gegebenenfalls Konflikte in Schutzgebieten anzugehen. Nach geschlagenen zehn Jahren lag das Resultat für die Region Wallis-Südost vor: Zu den bestehenden fünf GLP sollte einer hinzukommen. Gegen diesen Entscheid erhoben verschiedene Parteien Einsprache, darunter auch der SAC – mit Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht verfügte eine erneute Untersuchung und verlangte ein Gutachten der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission ENHK. Dieses ergab, dass der Landeplatz unter der Dufourspitze im BLN-Gebiet Dent Blanche – Matterhorn – Monte Rosa aufgehoben und nur noch für Trainingsflüge verwendet werden darf. Die Gemeinde Zermatt und der Walliser Grossrat wollten jedoch lieber das Landschaftsschutzgebiet streichen, als auf Heliskiing am Monte Rosa verzichten. Mountain Wilderness machte das ENHK-Gutachten der breiten Öffentlichkeit zugänglich und startete eine Petition gegen das dreiste Vorhaben der Heliski-Befürworter. Daraufhin brach der Bundesrat 2014 die GLP-Überprüfung wegen «unüberbrückbaren Differenzen» ab. Er verfügte lediglich die Streichung zweier Gebirgslandeplätze im Berner Oberland (Gumm und Rosenegg-West). Unser Gang vors Bundesgericht mit dem Ziel, dass die vollständige Überprüfung aller GLP zu Ende geführt und die Schutzziele durchgesetzt werden, scheiterte. In seinem Urteil schreibt das Bundesgericht jedoch: «Unter den Verfahrensbeteiligten ist zu Recht unbestritten, dass Helikopterlandungen zu schweren Beeinträchtigungen der Natur und Landschaft führen, wenn sie in BLN-Objekten stattfinden.» Affaire à suivre.

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