Mountain Wilderness → News → Gut für die Umwelt ist gut fürs Portemonnaie
Gut für die Umwelt ist gut fürs Portemonnaie

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Gespanntes Warten in der langen Schlange, die bis zu den nächsten Häusern reicht. Wir befinden uns vor dem Eventlokal «Heitere Fahne» in Bern, heute Abend findet hier einer der beliebten Alpin-Flohmis statt. Mitglieder von Mountain Wilderness haben bereits um 17.45 exklusiven Einlass und sichern sich heiss begehrte und seltene Stücke. Dann geht das Gedränge los. Samuel ist zum ersten Mal hier, pünktlich um 18.30 stellt er sich ans Ende der Schlange. Er sucht nach Bergschuhen, Trailrunning-Stöcken und Rucksack. «Und Kletterzeug, das kann man immer brauchen», meint er mit einem Schmunzeln. Dreiviertel Stunden dauert es, bis er an der Reihe ist und eingelassen wird, so gross ist der Andrang.
Die Verkaufenden sind schon etwas länger auf den Beinen: Seit 17 Uhr richten sie ihren Stand ein. Sie zahlen einen kleinen Unkostenbeitrag an die Raummiete und Organisation. Salome teilt sich ihren Stand mit zwei Freundinnen, jede hat einen Meter. «Wir verkaufen Dinge, die wir nicht mehr so oft benutzen, vor allem Kleidung». Die Stücke werden hübsch drapiert und präsentiert. Man linst etwas zum Nachbar-Stand: Was wird da geboten? Passen die Preise? Im Angebot ist von praktischen Winterjacken, über Skier, Bergschuhe und Kletterfinken fast alles zu finden, was das bergsportbegeisterte Herz begehrt.
Neben zahlreichen privaten Verkaufenden ist auch Second Peak aus Zürich, der erste secondhand Outdoorshop der Schweiz, mit ausgewählten Stücken vertreten. Ebenfalls vor Ort ist das Schweizer Label Rotauf. Es verkauft sogenannte Bastarde: Produkte mit kleinem Produktionsfehler oder Probe-Modelle, aus denen nie eine ganze Kollektion geworden ist. Ins Leben gerufen wurden die Alpin-Flohmis von Mountain Wilderness in Zusammenarbeit mit der NGO Public Eye.
Gebraucht kaufen liegt im Trend, auch im Bergsport: Den ersten Alpin-Flohmi 2019 haben mehr als 1’000 Leute besucht. Seither haben trotz Corona acht Austragungen stattgefunden, dieses Jahr in Basel, St. Gallen, Zürich und Bern. Für 2023 sind bereits weitere geplant, der Alpin-Flohmi soll zudem erstmals in der französischen Schweiz stattfinden. «Der Flohmi war einmal mehr ein voller Erfolg», resümiert Juna Fink von Mountain Wilderness. «Die Nachfrage nach gebrauchten Bergsportartikeln ist ungebrochen». Wer gebraucht kauft, schont die Umwelt und spart Geld. Auch hier gilt einmal mehr: Weniger ist mehr.
Die Stimmung ist entspannt und familiär. Im gemütlichen Raum mit viel Holz in der «Heitere Fahne» wird der Flohmi zu einer Tauschparty unter Freunden. Viele schlendern mit einem Stück Pizza in der Hand von Stand zu Stand. Es wird rege verhandelt; diskutiert über die guten Stücke oder über die Touren, die diese Skischuhe in ihrem zweiten Leben noch absolvieren werden. Salome hat absichtlich keine Preisschilder angebracht. «Das Feilschen macht Spass, man findet sich immer», erzählt sie. Sie schätzt die gemütliche Atmosphäre. «Cool, dass so ein Event nach der Pandemie wieder stattfinden darf!».
Viele der Stücke sehen aus wie neu, manches hat ein paar Gebrauchsspuren. Sie erzählen Geschichten von den Abenteuern, die sie mit ihren Besitzerinnen und Besitzern in den Bergen erlebt haben. Etwas haben alle Kleidungsstücke oder Ausrüstungsteile gemeinsam: Sie freuen sich auf ein zweites Leben. Eines, das sich lohnt: Der Kauf eines Zeltes oder eines Schlafsacks aus zweiter Hand spart 78 kg CO2, der eines Faserpelzes 18 kg CO2, die sonst bei der Herstellung von Neuware anfallen. Das ist zusammengerechnet mehr als die Hälfte der Emissionen eines Fluges von Zürich nach Berlin (167 kg CO2 pro Passagier). Umso nachdenklicher stimmt die Tatsache, dass viele der angebotenen Stücke fast oder sogar ganz neu sind. In der Euphorie für ein neues Hobby wird grosszügig eingekauft, die Freizeit für den Bergsport fehlt dann aber doch, Trends ändern sich. Die guten Stücke liegen vergessen im Schrank. Besonders fatal: Zahlreiche Ausrüstungsgegenstände gibt es (noch) nicht aus fairer und umweltschonender Produktion. Solche Produkte möglichst lange zu verwenden ist deshalb besonders wertvoll für die Umwelt.
Samuel ist fündig geworden. Trailrunning-Schuhe sind es schliesslich geworden, sein Kollege hat einen Skitourenrucksack ergattert. «Die Trailrunners sind fast neu, passen perfekt und haben nur 40 Franken gekostet!», meint er strahlend. «Nächstes Mal bin ich auf jeden Fall früher da!», erklärt er entschieden. Etwa eines der fünf Exemplare des begehrten, aber vergriffenen SAC-Skitourenführers «Berner Alpen West» hätte er gerne gehabt – doch die waren alle schon verkauft.
Gegen halb neun liegt schon etwas Aufbruchsstimmung in der Luft, der grösste Rummel ist vorbei. Die Verkaufenden stossen auf den erfolgreichen Abend an: Viele Tische sind fast leer. Manche der Besuchenden sitzen bereits draussen am Feuer bei einem Bier zusammen. Und dann kommt nochmals ein Highlight: Aktive der Flüchtlingshilfe besuchen den Flohmi und starten einen Spendenaufruf für warme Schlafsäcke, Zelte und Kleidung, die sie an der polnisch-belarussischen Grenze an Flüchtende verteilen. Viele Verkaufende spenden spontan ihre restlichen unverkauften Sachen, auch Salome und ihre Freundinnen. So kommt eine ganze Wagenladung zusammen, fünf prall gefüllte Rucksäcke mit Wanderschuhen, dicken Handschuhen, Mützen, warmen Schlafsäcken, Jacken und Mätteli für den kalten Winter. Damit wärmen auch die letzten Stücke Hände, Füsse und Herzen.
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