Mountain Wilderness → News → Der Traum vom preiswerten Alpen-Generalabonnement
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Dank Bahnreisegutscheinen sind im Sommer 125 Jugendliche mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch die Alpen gereist. Was ist ihre Motivation? Steht das kostenlose oder das nachhaltige Reisen im Vordergrund? Louise Drompt ist 22 Jahre alt und wohnt in Genf, wo sie Politikwissenschaften studiert. Sie ist Yoalin-Botschafterin für die Schweiz und Mitglied des CIPRA Jugendbeirats. Im aktuellen Wildernews erklärt sie uns, worum es geht.
Mountain Wilderness: Dieses Jahr haben sich 360 Jugendliche für einen Youth Alpine Interrail (Yoalin) Pass beworben. Warum machen sie das? Nach welchen Kriterien werden die Teilnehmenden ausgewählt?
Louise: Ich denke, die meisten bewerben sich aus Neugier. Und wir verlosen eine Reise, was für junge Menschen sehr reizvoll ist. Der Nachhaltigkeitsaspekt ist aber von Anfang an relevant. Wer sich bewirbt muss mehr tun, als sich nur per Klick anzumelden. Es gilt, sich persönlich vorzustellen und etwas über die eigene Vision des Reisens und den Bezug zu den Alpen zu erzählen.
Eine Auswahl zu treffen war sehr schwierig. Es gibt klare Kriterien wie Alter oder Wohnort in einem Alpenland. Das Hauptziel ist aber, eine gute Durchmischung zu haben und verschiedenste Menschen einzubeziehen.
Gelingt diese angestrebte Inklusion?
Bisher war es einfacher, Studierende anzusprechen. In Zukunft wollen wir aber auch die jungen Berufstätigen besser erreichen. Und wir wünschen uns mehr Teilnehmende aus der Schweiz!
Warum denkst du, bewerben sich wenige Schweizerinnen und Schweizer?
Ich vermute, dass sie auch andere Möglichkeiten haben, eine solche Reise zu finanzieren. Jugendliche aus Slowenien oder Italien berichten hingegen, dass es für sie eine einmalige Chance ist.
Warum ist das Projekt Yoalin wichtig?
Unsere Generation hört oft, dass und wie wir uns «grüner» verhalten sollen. Yoalin ermöglicht jungen Erwachsenen, nachhaltiges Reisen selbst zu erleben und sich eine Meinung zu bilden. Die Themen rund um den Klimawandel sind oft deprimierend und stimmen traurig. Yoalin fördert einen positiven Ansatz und kreativen Austausch. Das erachte ich als sehr effektiv.
Du bist vor ein paar Jahren selbst mit einem Yoalin-Ticket durch die Alpen gereist. Was bleibt dir in besonderer Erinnerung?
Ich war in den französischen Alpen unterwegs. Es war das erste Mal, dass ich ganz allein reiste – ein tolles Gefühl. Ich bin in der Region von La Gruyère aufgewachsen und dachte, dass der Trip kaum Überraschungen bieten würde. Aber ich hatte mich getäuscht: Ein Abenteuer kann vor der Haustür starten! Ich habe so viele grossartige Menschen und neue Kulturen kennengelernt, unbekanntes Essen probiert, neue Landschaften entdeckt.
Ende September haben sich die Reisenden für einen Erfahrungsaustausch in Innsbruck getroffen. Es wurde auch über Mobilität und Digitalisierung diskutiert. Was ist dabei herausgekommen?
Die wichtigste Erkenntnis ist eher ein gewecktes Gefühl. Das Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein und festzustellen, dass viele andere junge Menschen im Alpenraum ähnlich über Klimawandel, nachhaltiges Verhalten und Mobilität denken und fühlen. Alle wollen zu Lösungen beitragen. Die Diskussionen haben auch gezeigt, wo die Schwächen des Reisens mit den öffentlichen Verkehrsmitteln liegen.
Diese sind?
In erster Linie der Preis, vor allem im Vergleich mit den (zu billigen) Kurzstreckenflügen. Aber auch die geringe Verfügbarkeit internationaler Verbindungen und das lückenhafte Streckennetz in gewissen Ländern. Zudem stellt die fehlende Zentralisierung der Angebote ein Problem dar: Es ist sehr kompliziert und aufwändig, grenzübergreifende Reisen zu buchen. Generell muss das Reservieren von Angeboten viel flexibler und einfacher werden.
Wirkt die Erfahrung langfristig? Sind die Teilnehmenden nun überzeugte Zugreisende? Verzichtest du auf Flüge?
Grundsätzlich glaube ich, dass sich neue Gewohnheiten durch Wiederholungen manifestieren. Das Ziel von Yoalin ist nicht, Verzicht zu predigen, sondern neue Erfahrungen zu sammeln und auszutauschen. Ich denke, dass Yoalin-Teilnehmende ihr Mobilitätsverhalten sehr kritisch reflektieren und generell den öV bevorzugen. Wir sind vor allem offen für Diskussionen und die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Meinungen.
Ich persönlich versuche, insbesondere das Fliegen für Kurzdistanzreisen zu vermeiden. «Short distance flights are for insects» sagen wir dazu. Aber manchmal ist es schlicht einfacher zu fliegen oder zumindest das Auto zu nehmen. Das Comeback der Nachtzüge wird aber sicher dazu beitragen, noch öfter den Zug zu wählen.
Die ursprüngliche Idee des CIPRA Jugendbeirates ist ein alpenweites Ticket für Bahn und Bus. Wie ist der Stand der Dinge?
Mit dem «AlpTick» wollten wir eine Art Interrail Ticket für den gesamten Alpenraum kreieren. Wir realisierten aber schnell, dass ein solches Projekt, das mindestens sieben Länder und 48 Regionen einschliesst, nahezu unmöglich ist. In Gesprächen mit Politikerinnen und Politikern sowie Transportgesellschaften verfolgen wir die Idee aber laufend weiter.
Den Fokus des Projekts haben wir etwas geändert und konzentrieren uns nun auf regionale Zellen. In Zusammenarbeit mit dem Kanton Graubünden haben wir diesen Sommer das Angebot «GraubündenPlus» umgesetzt. Junge Reisende mit einem Interrail oder Eurail Pass konnten für einen Aufpreis von nur 22 Franken alle Buslinien innerhalb des Kantons sowie grenzüberschreitende Linien von und nach Österreich und Italien nutzen. Zahlen liegen noch keine vor, aber positiv ist schon mal, dass uns Vertrauen geschenkt wurde und es ein gemeinsames Verständnis für die Wichtigkeit der Zusammenarbeit zwischen Nachbarländern gibt. Als Nächstes wollen wir eine solche Aktion in Tirol und Südtirol lancieren. Unser langfristiges Ziel ist, diese drei Zellen zusammenzuschliessen und später weitere Regionen hinzuzufügen.
Was wünschst du dir (von wem) für die Zukunft?
Es ist idealistisch, aber ich wünsche mir von Politikerinnen, Politikern und anderen Entscheidungstragenden, dass sie mutigere Lösungen zum Klimaschutz wagen und stärker auf internationale Zusammenarbeit setzen.
Das Projekt des CIPRA Jugendbeirats und von CIPRA International startete 2018. Die Organisationen wollen damit eine klimafreundlichere, bewusstere und erschwinglichere Mobilität in den Alpen fördern. Junge Menschen zwischen 18 und 27 Jahren können sich für einen Youth Alpine Interrail Pass bewerben und bei positivem Entscheid während eines Sommers mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nachhaltig durch die Alpen reisen. Yoalin wird von den Unterzeichnerstaaten der Alpenkonvention gefördert und durch verschiedene Bundesämter und Ministerien finanziell unterstützt.
yoalin.org
Die Internationale Alpenschutzkommission CIPRA – französisch für Commission Internationale pour la Protection des Alpes – ist eine nichtstaatliche Dachorganisation mit über 100 Mitgliedsorganisationen im gesamten Alpenraum. Sie setzt sich für die nachhaltige Entwicklung der Alpen ein.
cipra.org
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