Naturnaher Tourismus heisst Beziehungen schaffen

Viele Meinungen und Sichtweisen kamen zusammen am gestrigen Diskussionsabend zum Thema «Funpark Alpen». Ein breiter Konsens scheint sich jedoch abzuzeichnen: Ein möglicher Weg hin zu naturnahen Freizeitangeboten in den Bergen läuft über die Beziehung zu lokalen Werten.

Das Licht ist golden während dem wir uns auf der Gurtenwiese einrichten. Es ist ein milder, warmer Spätsommerabend. Wir sind auf dem Berner Hausberg, einem Funpark in Stadtnähe und Naherholungsgebiet für viele Bernerinnen und Berner. Dieses Freizeitangebot mag im urbanen Raum sinnvoll sein. Doch heute sind wir zusammengekommen, um über die Entwicklung des Freizeitangebotes in den Bergregionen zu diskutieren, dort wo sich die letzten grossen unverbauten Gebiete des Alpenraumes befinden. Die Anzahl Funparks – also Rodelbahnen, Seilrutschen und Hängebrücken – ist seit der Jahrtausendwende frappant gestiegen. Wir reden von einer regelrechten «Möblierung der Berge» mit Spassinfrastruktur. Was sind die Triebkräfte hinter dieser Entwicklung? Wie könnte ein attraktives, ganzjähriges und naturnahes Freizeitangebot aussehen? Wie können wir als Gäste Einfluss nehmen, damit sich Tourismusregionen in Berggebieten umweltverträglich ausrichten? Die Antworten sind vielschichtig – hier ein Auszug aus den Diskussionen.

Mühsames Aufrechterhalten eines vergangenen Höhepunktes

Bald scheint klar, dass die Gründe für den Wildwuchs an Spassinfrastruktur in den Bergregionen weit zurück reichen. Schweizer Tourismusdestinationen und ihre Bergbahnen erlebten ihren Höhepunkt um 1990, als das Skifahren noch Tourismusattraktion Nummer eins war. Seit der Jahrtausendwende nehmen die Skifahrertage ab und immer mehr Hotelbetten bleiben kalt – es wurde eng im Budget der Bahnbetreiber und neue Lösungen mussten her. So kamen die Funparks als Sommerangebot hinzu. Dieser Trend zeigt sich im Kanton Bern auch klar in der Anzahl Gesuche für Baubewilligungen, die beim Amt für Gemeinden und Raumordnung eingehen. Doch nicht allein die Entwicklung im Wintersport feuerte die Bauwut in immer höhere Berggebiete an. Im Laufe der Diskussion werden parallele Phänomene genannt, welche die Rentabilität von Funparks begünstigten: die Zunahme der (internationalen) Mobilität, mehr zur Verfügung stehende Freizeit, die Suche nach Unterhaltung und Action als Ausgleich zum Büroalltag und nicht zuletzt der Konkurrenzkampf um Gäste.

Trennung aufheben, Beziehungen schaffen

Die Teilnehmenden sind sich einig: es fehlt die Beziehung zwischen den Freizeittouristen und den lokalen, einzigartigen natürlichen und kulturellen Gegebenheiten – ein Umdenken, weg von dem Fokus Infrastruktur, ist nötig. Regionaltourismus soll nicht mehr nur ökonomisch, sondern auch ökologisch und gesellschaftlich nachhaltig angedacht werden. Doch wie ist das möglich, in einer Mentalität des Kapitalismus und Renditen? Alternativen zur gängigen Finanzierungen durch Investoren mit wenig bis keinem Lokalbezug sind nötig. Möglichkeiten bieten genossenschaftliche Strukturen, Vereine oder AGs mit Fonds, die von den Leuten in den jeweiligen Regionen getragen werden. Bei der Vergabe von öffentlichen Regionalentwicklungsgelder sollten flankierende Massnahmen die lokalen Kreisläufe einbeziehen z.B. bei der Materialisierung, der Vergabe an lokale Handwerkende usw. Auch mutige Gesamt-Tourismusentscheide von Regionen, wie zum Beispiel im Safiental oder dem Mieminger Plateau (AT), sind gefragt. Weitere Ideen: anstatt saisonale Angebote durch saisonale Arbeitskräfte zu betreiben soll die lokale Bevölkerung miteinbezogen werden und so von der Wertschöpfung profitieren. Zudem sollen die Angebote auch für die lokale Bevölkerung attraktiv sein. Eine Beziehung zur Einzigartigkeit einer Region soll geschaffen werden, indem das Erleben der Natur im Vordergrund steht.

Unseren Einfluss auf das Angebot nutzen

Es bestehen viele Ideen dazu, wie wir als Gäste in Bergregionen das Freizeitangebot beeinflussen können. Wir können uns gezielt auf nachhaltig konzipierte Angebote ausrichten und  Destinationen mit fehlendem Einbezug der Natur und Kultur meiden. Wir können vermehrt unsere nächste Alltagsumgebung im Sinne von «Naherholungstourismus» aufsuchen und auf Kurztrips in die Berge verzichten. Wir können vor Ort unser Interesse nach lokalen Produkten und lokaler Kultur bekunden. Und wir können unsere Einstellung und Ansichten mit unseren Mitmenschen teilen.
Im Laufe der Gespräche zeigt sich, dass das Thema zwar komplex und vielschichtig ist, wir jedoch mit unserem eigenen Verhalten einen grossen Handlungsspielraum haben.

Weiterführende Links:

Broschüre «Funpark Alpen?» (Infos und Bestellung)