Nach Locarnese-Nein: Neue Ideen für die Wildnis gefordert

Grosse Chance für Wildnis und Regionalentwicklung verpasst: Sechs von acht betroffenen Gemeinden haben am 10. Juni 2018 den Parco Nazionale del Locarnese abgelehnt. Mit dem Nein im Tessin stirbt das letzte Projekt auf der Suche nach einem zweiten Nationalpark in der Schweiz.

Die Enttäuschung nach jahrelanger Vorbereitung sitzt tief. Ein zweiter Nationalpark hat in der Schweiz derzeit kaum eine Chance: Nur zwei von acht betroffenen Gemeinden haben sich diesen Sonntag, 10. Juni 2018, für das Nationalparkprojekt Parco Nazionale del Locarnese ausgesprochen. Die Mehrheit der Abstimmenden der Gemeinden Ascona und Bosco Gurin haben für den Nationalpark Locarnese gestimmt. Die Gemeinden Brissago, Centovalli, Losone, Onsernone, Ronco sopra Asconar und Terre di Pedemonte lehnten den Nationalpark ab. Der Parco del Locarnese hätte sich nordwestlich von Locarno über 218 Quadratkilometer erstreckt. Von den Brissago-Inseln auf 193 Metern bis auf das 2864 Meter hohe Wandfluhhorn. Insbesondere enttäuschend ist die Ablehnung in den wenig besiedelten Tälern Onsernone und Centovalli. Sie hätten die grössten Flächen des Parco del Locarnese ausgemacht. 

Kernzone besonders umstritten

Besonders umstritten bei Nationalparks ist die sogenannte Kernzone. In ihr herrscht das Ziel der freien Naturentwicklung. Jagd und Fischerei wären zum Beispiel im neuen Nationalpark stark eingeschränkt gewesen. Der Parco del Locarnese wäre ein Nationalpark neuer Ordnung gewesen. Die Pärkeverordnung des Bundes ermöglicht die Schaffung dieser Nationalparks, die aus einer streng geschützten Kernzone und einer Umgebungszone bestehen. Die Umgebungszone hat eine nachhaltige Regionalentwicklung zum Ziel. Bereits Ende November 2016 hatte sich eine Mehrheit von Tessiner und Bündner Gemeinden gegen das Nationalparkprojekt Parc Adula ausgesprochen. Mit dem Parco del Locarnese wurde das letzte Projekt der Pro Natura Kampagne «Gründen wir einen neuen Nationalpark» aus dem Jahr 2000 abgelehnt. Bis jetzt hat die Schweiz mit dem Schweizerischen Nationalpark im Engadin nur einen Nationalpark.

Engagement für Wildnis

Mountain Wilderness Schweiz wird sich weiter dafür einsetzen, dass es in der Schweiz Gebiete gibt, in denen die Natur sich frei entwickeln darf. Diese Wildnis bedeutet ethische Gerechtigkeit, bietet Tieren und Pflanzen Lebensraum und der Wissenschaft wichtige Versuchsflächen. Wildnis ermöglicht uns zudem Raum für persönliche Erfahrungen – denn Wildnis bedeutet für uns nicht unberührte, sondern respektierte Natur. Die Ablehnung der Projekte Adula und Locarnese zeigt, dass Nationalpärke in der Schweiz einen schweren Stand haben. Mountain Wilderness Schweiz wird zusammen mit betroffenen Gruppen wie lokaler Bevölkerung, Raumplanung und Nutzergruppen wie Jagd oder Bergsport nach anderen Lösungen suchen, um Wildnis in der Schweiz langfristig zu sichern.