Berge sind Grenzen, Menschen ziehen Grenzen

Internationaler Tag der Berge 2019

Pecha Kucha von François Labande, Pionier im Steilwandskifahren und Mitgründer von Mountain Wilderness France (Foto: David Schweizer)

Berge sind natürliche Grenzen; und der Mensch schraubt an diesen Grenzen, verstärkt sie, zieht neue dazu und lotet dabei die Grenze zwischen Natur und Kultur aus. Dies haben die acht Referate zum Internationalen Tag der Berge im Alpinen Museum der Schweiz am 11. Dezember 2019 aufgezeigt. Mehr als hundert Gäste haben dieses Jahr den Vorträgen im unterhaltsamen Pecha-Kucha-Format gelauscht.

Mountain Wilderness Schweiz hat den Tag der Berge zusammen mit anderen Alpenorganisationen organisiert. Grenzen am Berg wurden in grosser Vielfalt angesprochen: Der Mensch verschiebt Grenzen, indem zum Beispiel durch die menschgemachte Klimaerhitzung Alpenpflanzen immer höher steigen und die Lebensräume für einige kälteliebende Pflanzen kleiner werden, wie Sonja Wipf vom WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF aufgezeigt hat. Wir lieben es, Grenzen zu erforschen. Einer, der es mit Leidenschaft tat, war Alexander von Humboldt. Der Historiker Jon Mathieu hat dem Grenzüberschreiter und Wegbereiter des Tags der Berge ein kleines Denkmal gesetzt. In der Region von Briançon bilden die Berge für viele Migrierende Grenzen, die sie wegen menschgemachten Grenzen nur unter grosser Gefahr überschreiten können. François Labande von Mountain Wilderness France hat aufgezeigt, wie Menschen mutig für diese Grenzüberschreiter der anderen Art einstehen. Dass nicht nur Grenzen, sondern auch Grenzwerte problematische Seiten haben, hat Niklas Joos-Widmer erläutert. Er befasst sich beim Urner Amt für Umweltschutz mit Grenzwerten. In seinem Referat hat er dafür plädiert, nicht zu vergessen, dass Grenzwerte letztlich immer dem Schutz von Mensch und Umwelt dienen sollten. Dass sich potenzielle Schadstoffe weder um Grenzen noch um Grenzwerte scheren, hat Jürg Trachsel vom SLF deutlich gemacht: Er fand bei Untersuchungen Mikroplastik im Schnee von den Alpen bis zur Arktis. 

Grenze zwischen Natur und Kultur

Die Kurzvorträge haben aber vor allem auch gezeigt, wie schwierig die Grenze zwischen Natur und Kultur zu ziehen ist. Elisa Frank von der Uni Zürich befasst sich mit Wölfen, die sich nicht so recht an die von Menschen gezogenen Grenzen halten wollen. Um sie im Zaum zu halten, greifen wir auf ein Mischwesen aus Natur und Kultur zurück: die Herdenschutzhunde. Der Fotograf Roshan Adhihetty hat Gruppen von Nacktwandernden begleitet. Er hat festgestellt, wie sich viele Nacktwandernde wieder der Natur anzunähern versuchen; und wie schwierig es ist, diese Grenzen wieder aufzubrechen; ganz auf Hilfsmittel wie Wanderschuhe oder Rucksack mag fast niemand verzichten. 

«Es ist Zeit für mehr Wildnis in der Schweiz»

Mehr um Wildnis als Naturphänomen ging es bei Katharina Conradin. Sie ist Präsidentin von CIPRA International und war lange Zeit Geschäftsleiterin von Mountain Wilderness Schweiz. Sie forderte in ihrem Referat: «Es ist Zeit für mehr Wildnis in der Schweiz.» die Aufgabe von Grenzertragsflächen habe nicht nur negative Auswirkungen, sondern könne mit Geduld und Zeit auch zu neuen, faszinierenden Lebensräumen führen. Viel Geduld bringt auch Bruder Markus auf. Der durch eine SRF-Dokumentation bekannt gewordene Eremit meditiert seit Jahren abgeschieden im Wallis. Wegen starken Schneefalls konnte er leider nicht am Anlass teilnehmen. In seiner Grussbotschaft erinnerte er das Publikum daran, dass der Mensch meist sich selber Grenzen setzt.